Geschenkt
Ein Impuls zum Tagesevangelium Joh 13,16-20: Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr das wisst - selig seid ihr, wenn ihr danach handelt. Ich sage das nicht von euch allen. Ich weiß wohl, welche ich erwählt habe, aber das Schriftwort muss sich erfüllen: Der mein Brot isst, hat seine Ferse gegen mich erhoben. Ich sage es euch schon jetzt, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschehen ist, glaubt: Ich bin es. Amen, amen, ich sage euch: Wer einen aufnimmt, den ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.
„Eine alte Indianerin pflegte ihrer spanischen Nachbarin stets ein paar Rebhuhneier oder eine Hand voll Waldbeeren zu bringen. Die Nachbarin sprach kein Araukanisch mit Ausnahme des begrüßenden `Mai-mai´, und die alte Indianerin konnte kein Spanisch, doch sie genoss Tee und Kuchen mit anerkennendem Lächeln. Die Nachbarskinder bestaunten ihre farbigen Umhänge, von denen sie mehrere übereinander trug, ihre kupfernen Armbänder und ihre Halsketten aus Silbermünzen. Sie wetteiferten darum, den melodischen Satz zu behalten, den die Frau jedes Mal zum Abschied sagte. Schließlich konnten sie ihn auswendig, und sie fragten einen anderen Indianer, der zugleich Spanisch sprach, was er bedeute. `Er bedeutet´, antwortete dieser, `ich werde wiederkommen; denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin.´“
Aus: Oh! Noch mehr Geschichten für andere Zeiten
Der Schlusssatz dieser kleinen Geschichte bringt uns an den Kern unseres Tagesevangeliums Joh 13,16-20.
Das 13. Kapitel des Johannesevangeliums schildert uns mit der Fußwaschung keine einfache Szenerie: Als Leser bzw. Leserinnen werden wir Zeugen des letzten Mahls Jesu mit seinen Jüngern.
Jesus befindet sich im Kreis seiner Jünger. Er schickt sich an, ihnen das Gebot der Nächstenliebe im Herzen zu verankern.
„[…] Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,34f.)
Sein Auftrag erfährt nicht zuletzt auch durch jene Passagen, die von menschlicher Schwäche und Fragilität Zeugnis ablegen, immenses Gewicht. Den Verrat durch Judas und die Verleugnung durch Petrus.
Sein Gebot der Nächstenliebe ist ein Gebot der Stärkung und auch des Mutes. Die Liebe ist es, die eine christliche Gemeinschaft trägt. Sie sollte das Herzstück des Christentums sein.
Wenn aber das Christentum in unserer Gesellschaft zunehmend in die Defensive gerät, sich in die Defensive drängen lässt und folgedessen auch nur in einer defensiven Haltung erlebt wird, verliert es seine gesellschaftsprägende Kraft. Das Vertrauen in die christliche Gemeinschaft schwindet.
Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil wir in unseren Gemeinden den Mut verlieren, einander zu lieben und die Nächstenliebe zu leben vergessen und verlernt haben. Vielleicht weil wir nicht den Mut haben, an der Nächstenliebe bedingungslos fest zu halten, aus Angst, bloßgestellt zu werden oder aus der Angst, selbst verletzt zu werden.
An welchen Werten ist eine solche Gemeinschaft, die mehr von Angst und Egoismus als von Nächstenliebe gezeichnet ist, dann noch erkennbar? Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal? Christ zu sein bedeutet auch, mutig zu sein und manchmal, vorauszugehen.
Ganz gleich, ob wir Liebe im Umgang von Mensch zu Mensch oder auf Basis eines gemeinsamen Anliegens, eines gemeinsamen Ziels miteinander teilen, Liebe kann für uns viele Facetten haben.
Aber eines bleibt, diese Liebe ist in Gott durch Jesus grundgelegt. Er ist der Maßstab. Er ist es, dem wir nacheifern sollen. Durch unsere persönlichen Erfahrungen entdecken wir Neues, verändern wir unsere Perspektive und unsere Interessen, werden wir gestützt und getröstet oder geraten in Zweifel. Doch auch, wenn Liebe von Zeit zu Zeit enttäuscht wird, ist ihr damit weder ihre Wahrheit noch ihre Notwendigkeit genommen, denn sie stärkt uns in unserem Sein. Ohne die Liebe geht es nicht.
Gerade in dieser für uns alle schwierigen Zeit ist es an uns, Liebe zu zeigen. Viele haben das eindrucksvoll getan. Ja getan. Denn nur im Tun und nicht im Reden zeigt sich die wahre Nächstenliebe. Viele haben jedoch auch gegenteilige Erfahrungen gemacht und Abgrenzung und Abschottung erlebt. Wir Menschen sind halt unvollkommen.
Wenn nun die Kirchen wieder öffnen und Gottesdienste abgehalten werden, ist von uns allen eines gefragt und gefordert: Das Vertrauen in Gott.
Vertrauen in Gott, welches sich auch im rechten Maß des Umganges miteinander spiegeln muss.
Nicht gedankenlos, ohne das rechte Maß an Verantwortung, sollen wir handeln, aber die Angst darf uns als christliche Gemeinschaft nicht dominieren. Das rechte Gottvertrauen auf Grundlage der Nächstenliebe muss in unserer Gemeinschaft wieder Platz greifen, die Freude, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und das ohne Angst, dass unsere Seele keinen Schaden nimmt.
Ich hoffe, wir finden gemeinsam den richtigen Weg für einen vernünftigen Umgang miteinander, mit der notwendigen Lebensfreude und einem gesunden Gottvertrauen.