Holzwurm im Dom muss dran glauben
Wartungsarbeiten: Zwei spätmittelalterliche Schnitzaltäre sind vom „Gewöhnlichen Nagekäfer“ befallen. Eine Fachfirma bekämpft den Schädling jetzt durch Begasung. Daher bleibt der Dom ab Montag, 4. September, für drei Tage gesperrt.
In dieser Funktion ist die promovierte Kunsthistorikerin auch für die kulturellen und liturgischen Schätze im Bamberger Dom St. Peter und St. Georg zuständig. So blieb es Birgit Kastner nicht verborgen, dass zwar nicht Läuse, doch Anobien – umgangssprachlich Holzwürmer – darin ihr Unwesen treiben. Genauer gesagt sind zwei spätmittelalterliche Schnitzaltäre vom „Gewöhnlichen Nagekäfer“ befallen: der Kirchgattendorfer Altar und der Riemenschneider-Altar an der Außenwand des nördlichen Seitenschiffes. Gerade an den Heiligenfiguren sind die Fluglöcher dieses drei bis vier Millimeter großen, graubraunen Käfers als solche zu identifizieren.
„Die Beseitigung der Holzschädlinge ist unumgänglich, da die Nagekäfer durch ihre Bohrgänge massiv substanzzerstörend wirken und damit große Schäden an Kunstobjekten oder auch Holzkonstruktionen anrichten können“, erklärt Kastner. Das feuchte, kühle Klima in Kirchen biete dem Anobium punctatum – so der wissenschaftliche Artname für dieses Nagekäfer- eine ideale Lebensumgebung.
Nach eingehenden Untersuchungen stand fest, wie der Holzwurm im Dom dran glauben muss: nämlich durch Begasung mit dem giftigen Mittel Sulfuryldifluorid, das speziell für sensibles Kulturgut entwickelt und vor Ort extra gereinigt wird. Ordinariatsrätin Kastner bedauert, dass biologische Methoden zur Bekämpfung des Schädlings wie Schlupfwespen keine Chance hätten. Denn in den 1960er bis 80er Jahren seien viele Kirchenausstattungen großzügig mit PCP-/Lindan haltigen Schädlingsbekämpfungsmitteln getränkt worden.
Um mit möglichst geringen Mengen des giftigen Begasungsmittels zu arbeiten, wird im Dom eine Teilbegasung durchgeführt, und zwar von der vielfach erfahrenen Fachfirma Binker aus Lauf an der Pegnitz. Vorarbeiter Theo Eckert wird das Spezialistenteam leiten. Junior-Chef Mario Binker, Experte für Holz- und Bautenschutz, spricht von einer Präzisionsbegasung, bei der die beiden befallenen Altäre jeweils mit einer Gassperrfolie absolut luftdicht eingehaust und so vom Kircheninnenraum abgetrennt werden. „Bei dieser Form der Begasung können Dosierung und Einwirkzeit exakt gesteuert werden“, so Binker. Der Ablauf werde unter Berücksichtigung aller Parameter vor Ort mit einer computergestützten Methode genauestens kontrolliert. „Aus der Gassperrfolie entweicht nichts“, versichert der Unternehmenschef.
Am Ende des Verfahrens würden alle begasten Bereiche mit Ventilatoren und mobilen Abluftanlagen rückstandsfrei abgesaugt: „Es bleiben keine giftigen Rückstände, und es gibt danach überhaupt keine Beeinträchtigungen für den Menschen“, betont Mario Binker. Nach der Belüftung und Restgasmessung garantiere eine Freigabebescheinigung das gefahrlose Wiederbetreten des Doms und die uneingeschränkte mögliche Wiederbenutzung des begasten Bereichs nach den Anforderungen der „Technischen Regeln für Gefahrenstoffe (TRGS 512)“.
Birgit Kastner ergänzt, dass entsprechend der strengen Vorgaben auch eine „naturschutzrechtliche Erlaubnis eingeholt, die sicherstellt, dass es in diesem Bereich keinen gefährdeten Fledermausbesatz gibt“. So bittet sie um Verständnis, dass während der Arbeiten an den Altären vom 4. bis 6. September der Dom für die Öffentlichkeit geschlossen bleibt. Führungen und Besichtigungen seien in dieser Zeit nicht möglich. Die Gottesdienste finden in diesem Zeitraum in der St. Elisabeth-Kirche im Sand statt.
Die letzte mehrtägige Schließung des Domes erfolgte im März 2020. Vom 16. bis 21. März war die Kathedrale wegen Gerüstarbeiten im Hauptschiff und am Joch der Altarinsel für die Öffentlichkeit nicht begehbar.
Ob dem Gewöhnlichen Nagekäfer mit dieser Begasungs-Aktion 2023 endgültig der Garaus gemacht werden kann, mag Mario Binker nicht prophezeien: „Das Gas hat keine vorbeugende Wirkung“, weiß er. So müsse aufgepasst werden, dass „der Käfer nicht wieder eingeschleppt wird, es kann ja sein, dass er seinen Weg von der Orgel zum Altar findet…“. Allerdings sei ihm keine Kirche bekannt, die seine Firma im Laufe der letzten 30, 40 Jahre zum zweiten Mal begasen musste.