Beten
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir lesen im ersten Thessalonicherbrief 5,16-17 „Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes für euch in Christus Jesus.“
Das Leben ist nicht leicht. Da hat man manches Schwere zu tragen. Bitter und hart kann das Brot des Lebens sein. In der heutigen Zeit, in der viele Menschen gehetzt sind – auch in der Kirche – tut es sicher gut, wenn wir uns Jesu Beispiel vor Augen führen. Er hatte viel zu tun! Aber nicht zu viel, um sich um sich zu besinnen und im Gebet Kraft zu suchen. Lesen wir im Markusevangelium 1,35: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einem einsamen Ort, um zu beten.“
Der heilige Franz von Sales gibt uns da auch einen guten Tipp: „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Gebet. Und wenn du keine Zeit hast, dann nimm dir eine Stunde.“
Es gibt kein „falsch“ beim Beten und Du brauchst kein besonderes Vokabular zu lernen. Mit Gott darfst Du so reden, wie es Dir gerade auf dem Herzen liegt – fröhlich, verzweifelt, traurig, wütend, glücklich. Sprich mit ihm einfach so wie mit einem Freund oder Deiner Familie. Wichtig ist nur, dass Du ehrlich zu Gott bist.
Inneres Beten ist der Kern der Spiritualität des Teresianischen Karmel. Teresa von Ávila erklärt inneres Beten mit folgenden Worten: „Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“
Wenn zwei Menschen nicht miteinander reden, dann stimmt etwas nicht in ihrer Beziehung. Die Verbindung zwischen ihnen ist abgebrochen. Das gleiche gilt für die Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Es ist eine Beziehung, in der beide Seiten miteinander im Gespräch sein müssen. Unser Herr Christus hat uns immer wieder dazu eingeladen, auf seine Worte zu hören. Ein Christ, der nicht im Gespräch mit seinem Herrn ist, kann kaum einen lebendigen Glauben haben. Reden mit Gott ist der Ausdruck der lebendigen Beziehung, in die wir durch den Glauben gestellt sind. Beten zu dürfen und beten zu können ist etwas Wunderbares. Es ist ein unschätzbares Vorrecht.
Dorothee Sölle und Fulbert Steffensky haben es einmal so ausgedrückt: „Gott ist kein Automat, in den man eine Münze steckt und dann herausbekommt, was man will. Aber beten verändert die, die es tun. Die großen Wünsche nach Gerechtigkeit, nach dem Sieg über das Unrecht, nach Glück und Heil, nach einem menschenwürdigen Leben, die hat man nicht einfach so, man muss sie lernen. Und man lernt sie, indem man sie ausspricht.“
Gebete sind wie Leitern, Leitern ins Leben. Sie verbinden oben und unten. Sie führen uns über die Ebene hinaus, in der wir normalerweise unterwegs sind. Wer betet, steigt hinauf und gewinnt eine neue Perspektive. Wer betet, spürt, wie Gottes Güte hinabsteigt, wie ein Engel sich einstellt, der tröstet und Ruhe schenkt; wie neue Kraft wächst und die Welt in einem besonderen Glanz erscheint. Das Bild der Strickleiter passt auch, weil ich beim Klettern merke: Es geht besser, wenn ich nicht alleine bin. Wenn unten ein anderer festhält; dann wackelt es viel weniger, dann dreht sich die Leiter nicht so leicht weg. Ich merke eine andere betet für mich und spüre: Die Engel steigen wirklich die Leiter herauf und herab. Sie sehen mich, sie hören mein Gebet, auch wenn ich es selbst noch gar nicht in Worte fassen kann.
Betet für alle Menschen! Das ist die Aufgabe der Gemeinde.