Das Kreuz
Nirgendwo stehen so viele Kreuze und Bildstöcke in den Fluren und Ortschaften wie im fränkischen Raum. Seit vielen Jahrhunderten sind sie in die Landschaft gesetzt zum frommen Gedächtnis, zur Andacht und zum hohen Lobe Gottes.
Flurkreuze sind zum sichtbaren, kündenden Sinnbild eines vielfältigen Landes geworden, äußeres Zeichen für eine bestimmte innere Haltung. Als religiöse Male ragen diese frommen Zeichen majestätisch, feierlich und ernst inmitten einer bis ins kleinste geformten Landschaft auf, noch immer sind sie in das Lebensbild der Franken hineinverwoben. Sie sind deutliche Hinweiszeichen, Signaturen und Beweise für ein einfaches, genügsames, gläubiges Leben.
Aber das Kreuz ist mehr als ein Stück romantisches Landschaftsmöbel. Es ist nicht nur das äußere Zeichen für die bestimmte innere Haltung, es ist das positivste Zeichen, das der Menschheit geschenkt wurde. Das Kreuz ist das Plus-gewordene Minus dieser Welt durch den Einsatz Gottes in Jesus Christus. Schon die äußere Gestalt des Kreuzes zeigt darauf hin. Gott hat in Jesus Christus alle Minus-Zeichen der Welt durchkreuzt und daraus ein Plus werden lassen.
Das Kreuz zeigt drei geometrische Elemente: die Vertikale, die Horizontale und den Kreuzpunkt.
Die vertikale Kreuzlinie ist von ganz oben nach ganz unten gewendet. Sie verbindet Gott und Mensch, Himmel und Erde, oben und unten, sodass es nun wirklich heißen kann: „Wie im Himmel, so auf Erden“, wie es in der Weihnachtsnacht von den Engeln verkündet wurde: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden Friede bei den Menschen“.
Die horizontale Kreuzlinie verläuft ins Unendliche, nach rechts und links. Auf ihr sind alle menschlichen Generationen angesiedelt, alle Menschen, die von Adam bis zu dieser Stunde über die Erde gegangen sind. Ihr Lebensraum ist die Horizontallinie. Sie bekommt ihr unermessliches Gewicht durch die Milliarden von Menschen mit ihren persönlichen Belastungen. Wer das Gewicht dieser Horizontallinie zu erahnen versteht, der weiß, was es bedeutet, wenn wir beten: „Der für uns das schwere Kreuz getragen hat.“ Die Horizontale hat keine Chance, in die Vertikale zu gelangen. An keinem Punkt kann sie über sich selbst hinaus. Sie ist verurteilt zum Unendlichen nach rechts und links. Das ist eigentlich die Hölle.
Einen einzigen Punkt gibt es auf dieser Horizontalen, an dem die Bewohner dieser Linie über sich selbst hinauskommen können, und das ist der Kreuzpunkt, jener Punkt, an dem die Horizontale von der Vertikalen durchkreuzt wird, wo gleichsam aus dem Minus das Plus entsteht. Dort ist plötzlich Überstieg, Aufstieg und Vollendung möglich. Dieser Kreuzpunkt ist das große Geschenk Gottes. Der Mensch ist nicht zur Horizontalität verurteilt, sondern ihm ist der Aufstieg und Überstieg durch die Vertikale Gottes geschenkt worden. Der wichtigste Punkt der Welt ist daher der Kreuzpunkt. Wir tun gut daran, das nie zu vergessen.
Seit den Tagen des Neuen Testamentes gilt das Kreuz als das Zeichen des Heils. Schon bei der Taufe werden wir mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet; im Zeichen des Kreuzes erhalten wir immer wieder den Segen Gottes, mit ihm bezeichnen wir uns selbst. Das Kreuz ist das christliche Symbol, das wir öffentlich und privat aufstellen. Auch wenn heute verschiedene Leute ihr Kreuz mit dem Kreuz haben!