Der Hass der Welt
Aus der zweiten Abschiedsrede. Einheit mit und in Jesus - Der Hass der Welt (Joh 15,18-21): Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten. Doch dies alles werden sie euch um meines Namens willen antun; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.
Bei unserem Tagesevangelium nach Johannes handelt es sich um Zeilen aus der zweiten Abschiedsrede Jesu an seine Jünger.
Johannes beschreibt vorangehend in den Versen 1-8 die Beziehung Jesu zu seinen Jüngern anhand des bekannten Gleichnisses vom Weinstock. In den Versen 9-17, die von der Liebe erzählen, zeigt Jesus seinen Jüngern auf, dass erst durch das Annehmen seiner Liebe die Liebe unter ihnen möglich ist.
In unserem oben stehenden Tagesevangelium, in den dann folgenden Versen 18-21, werden die Konsequenzen, die sich aus der Nachfolge und der Liebe zu Jesus einerseits und der weltlichen „Erde“, die schon immer alles Fremde argwöhnisch beäugt und bekämpft hat, andererseits, beschrieben.
Sehr hart, deutlich und unbeugsam die Überschrift: „Der Hass der Welt.“ Die Worte, die Jesus zu seinen Jüngern spricht, zeigen sehr deutlich den Dualismus in unserer Welt auf, der die Menschheit seit jeher knechtet.
Auf der einen Seite Jesus, seine Liebe, seine Botschaft und die Jünger in seiner Nachfolge und auf der anderen Seite die argwöhnische Welt, die alles Fremde zu verfolgen und zu bekämpfen geneigt ist und hart straft bei Verfehlungen.
„Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“
Zwei scheinbar unversöhnliche Seiten: Die verzeihende Liebe in ihrer Wärme und die bestrafende und verfolgende Kälte der Welt, die Regeln ohne Gnade einfordert und alles vermeintlich Fremde bekämpft.
Wir alle haben schon Erfahrungen dieser Art gemacht. Zum Teil aus eigener Erfahrung, zum Teil aus Beobachtung. Das belastet uns.
Aber durch die Allmacht der Liebe, die Jesus unserem Tagesevangelium vorangestellt hat, schöpfen wir auch wieder Hoffnung und Zuversicht.
„Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.“
Nur die stetige Auseinandersetzung mit diesem Dualismus, mit diesen Gegensätzen der Welt bringt uns weiter und lässt uns erkennen.
Natürlich sind in einer Welt der Vielfalt und der Bedrohungen aller Art Regeln des Zusammenlebens und des Verhaltens notwendig, die auch eingefordert werden müssen. Aber Jesus hat uns gezeigt, dass seine allgegenwärtige Liebe alle die oft scheinbar notwendigen Härten dieser Welt auch begrenzen kann und begrenzen muss. Dass nur durch die Liebe Vorurteile und Feindschaft begrenzt, ja vielleicht eines Tages besiegt werden können. Ohne die Liebe kann das rechte Maß, also das richtige Maß, nicht gefunden werden.
Astrid Lindgren erzählt sehr passend für unsere Bibelstelle und sehr zutreffend für diese Tage:
„Jenen aber, die jetzt so vernehmlich nach härterer Zuflucht und straffen Zügeln rufen, möchte ich das erzählen, was mir einmal eine alte Dame berichtet hat. Sie war eine junge Mutter zu der Zeit, als man noch an diesen Bibelspruch glaubte, dieses `Wer die Rute schont, verdirbt den Knaben´. Im Grunde ihres Herzens glaubte sie wohl gar nicht daran, aber eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hatte, die erste in seinem Leben. Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selber nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: `Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen. Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben: `Meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein. Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: `Niemals Gewalt!´“
Aus: ach! Das kleine Buch vom großen Staunen
Ist dieser Erzählung noch etwas hinzuzufügen? Vielleicht nur das: Jeder macht Fehler, und jeder kann der Fremde sein, das ist dem-Mensch-sein immanent, aber jeder hat auch die Chance dazuzulernen, zu erkennen, um künftig Fehler zu vermeiden. Denn wir alle leben in der Liebe Gottes durch Jesus, die aus dem Fremden auch einen Freund machen und Fehler verzeihen kann.