Die drei Siebe des Sokrates
„In jeder Krise stecken auch Chancen“. Diesen Satz sprechen in der momentanen Situation vor allem Menschen aus, die nicht bereit sind, sich von den täglichen Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit dem Corona-Virus allzu sehr nach unten ziehen zu lassen. Menschen, die vielleicht auch selbst schon die Erfahrung gemacht haben, dass im Normalfall auf jedes „Tief“ im Leben ein neues „Hoch“ folgt.
Krisen haben also das Potential, zu verändern und bei einigen wächst dabei durchaus die Bereitschaft, eingefahrene und bisher unhinterfragte Haltungen und Verhaltensweisen auf den Prüfstand zu stellen.
Der Wunsch, dass diese Krise auch unser Zusammenleben und den Umgang miteinander zum Positiven hin verändern wird, wird immer lauter. Die Hoffnung, dass wir nach dem Ende der Pandemie mit mehr Achtsamkeit einander begegnen, dass wir die positiven menschlichen Erfahrungen, die wir einander in der Krise geschenkt haben, nicht wieder über den Haufen schmeißen, ist groß.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine meiner Lieblingsgeschichten ein. Sie ist ein Appell zu mehr Milde und Achtsamkeit im Umgang miteinander. Vielleicht erscheint sie ja vor unserem inneren Auge, wenn wir wieder einmal ....
Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte: „Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen!“
„Halte ein!“ - unterbrach ihn der Weise, „Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“
„Drei Siebe?“, frage der andere voller Verwunderung.
„Ja guter Freund! Lass sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?“
„Nein, ich hörte es erzählen und...“
„So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst, gut?“
Zögernd sagte der andere: „Nein, im Gegenteil...“
„Hm...“, unterbracht ihn der Weise, „so lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?“
„Notwendig nun gerade nicht...“
„Also“, sagte lächelnd der Weise, „wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.“