Diese Frauen schweigen nicht mehr

Eine besondere Maiandacht am Samstag in der Oberen Pfarre lenkte mit neuen Kunstwerken einen aktuellen Blick auf Maria und die kritischen Frauenbewegungen „Maria 2.0“ bzw. „Maria, schweige nicht!“. Der Pfarrer solidarisierte sich.

1. Mai: Festtag der „Patrona Bavariae“, der „Herzogin Frankens“, Auftakt des Marienmonats und Anlass für Andachten in den katholischen Kirchen und Kapellen. Und in der Marienkirche Bambergs, der Oberen Pfarre, Ouvertüre einer künstlerischen Oper in vier Akten: Frauen sangen im übertragenen Sinne neue Lieder über die Gottesmutter. So wie Maria ihr „Magnificat“ nicht mit geschlossenem Mund gesungen haben kann, schwiegen ihre Geschlechtsgenossinnen nicht mehr zu fehlender Gleichberechtigung in der Kirche. Zu verkrusteten Strukturen. Zum Ausschluss von Ämtern.
Gleichwohl war diese Maiandacht eher eine stille Demonstration denn Beginn einer Revolution. Weiße Schals dominierten das Bild: Die äußeren Zeichen der Frauenbewegungen „Maria 2.0“ beziehungsweise „Maria, schweige nicht!“, die für eine geschlechtergerechte Kirche eintreten. „Mit weißen Schals holen wir in die Kirche, was unbequem ist“, sagte Pfarrer Matthias Bambynek. Es sei „keine Aktion von Querulantinnen, sondern wird mitgetragen von vielen Frauen und Männern“. Zumal das Thema „Frau in der Kirche“ kein „randständiges ist, sondern die Zukunftsfrage der Kirche!“
Für seine solidarischen Worte erntete Pfarrer Bambynek anhaltenden Beifall. Und zwar in einem historischen Kirchenraum, in dem es zahlreiche Mariendarstellungen gibt und nicht zuletzt das seit Jahrhunderten verehrte Gnadenbild der Gottesmutter. All dies sei ein Spiegelbild dessen, was die Menschen damals glaubten, erklärte Bambynek. Er würdigte die beiden in der Pfarrei beheimateten Künstlerinnen Andrea Landwehr-Ratka und Barbara Winkler, die für die Gestaltung der Maiandacht Bekanntes aufgegriffen und weitergedacht haben. Der Pfarrer stellte ihre vier neuen Kunstwerke unter den Titel „Faszination Mutter Maria“: Zwei Gemälde und zwei Installationen, die die Forderungen der Bewegungen „Maria 2.0“ und „Maria, schweige nicht!“ unterstreichen sowie Maria als „weiblichen Teil unseres Glaubens“ interpretieren wollen.
„Frauen sind in Vorständen, Bundeskanzlerin, Ärztinnen, Richterinnen, Rabbinerinnen, Pfarrerinnen, Bischöfinnen – nur nicht in der katholischen Kirche“, führte Barbara Winkler aus. Dies sei ein Zustand, „der nicht mehr zu ertragen ist“. Sie verstehe ihre Arbeiten – zwei große Tafelbilder in Anlehnung an die klassische Darstellung „Anna Selbdritt“ – zugleich als ein Glaubensbekenntnis und ein Schrei nach Erneuerung in der katholischen Kirche. Mit ihren ganz in Weiß gehaltenen Installationen „Kraft und Licht“ und „Seelenthron“ will Andrea Landwehr-Ratka hervorheben, dass Maria eine selbstbewusste und kraftvolle Frau gewesen ist, die in freier Entscheidung Ja zu Gottes Plan mit ihr gesagt hat. Ihre Werke symbolisierten Kraft, Standhaftigkeit und Durchhaltefähigkeit, die nötig seien, um die Ideen der beiden Frauenbewegungen in die Kirche einzubringen und nicht untergehen zu lassen.
In dieser Maiandacht in der Oberen Pfarre wurden aber nicht nur die Finger in eine offene Wunde gelegt, sondern auch durch Christus mit Maria gebetet: „Wir hoffen auf ihre Fürsprache für uns“, hieß es etwa. Oder: „Maria, wir beten zu dir für alle, die nach einem Streit Versöhnung wollen.“ Tatsächlich sah Pfarrer Bambynek auch Unverständnis für die Kunstausstellung und ihre Ideen dahinter voraus: „Ich rechne damit, dass Leute darüber den Kopf schütteln.“ Zumal die Kirche in einer komplexen Situation stehe mit hitzigen Debatten, in denen „wir uns schwer tun, auf andere zu hören“.
Die Kunstwerke sind bis Ende Mai im Chorumgang der Oberen Pfarre zu sehen. Zwei weitere thematische Maiandachten mit den Künstlerinnen werden am 14. Mai 2021 um 18:00 Uhr (mit dem KDFB der Oberen Pfarre) und am 29. Mai 2021 um 17:00 Uhr (mit Schwester Martina Schmidt von den Dillinger Franziskanerinnen) gefeiert.
