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Licht-Bringer

Licht
Datum:
Veröffentlicht: 29.9.21
Von:
Sebastian König, Pastoralreferent
Am 29. September ist Michaelistag. Der Michaelistag markiert genau eine Woche nach der Tag- und Nachtgleiche die Grenze im Jahreskreis, ab der die Nächte wieder länger als die Tage sind. Die Bauernregel „Der Michel zündt's Licht an“, weist uns darauf, dass deshalb bis Lichtmess (2. Februar) notgedrungen zunehmend bei Kunstlicht gearbeitet werden musste und natürlich auch heute noch gearbeitet werden muss.

Die ersten Jünger (aus Joh 1,43-51)

Am Tag darauf wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen; da traf er Philippus. Und Jesus sagte zu ihm: Folge mir nach! Philippus war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus. Philippus traf Natanaël und sagte zu ihm: Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josefs, aus Nazareth. Da sagte Natanaël zu ihm: Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen? Philippus sagte zu ihm: Komm und sieh! Jesus sah Natanaël auf sich zukommen und sagte über ihn: Sieh, ein echter Israelit, an dem kein Falsch ist. Natanaël sagte zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete ihm: Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen. Natanaël antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel! Jesus antwortete ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah; du wirst noch Größeres als dieses sehen. Und er sprach zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn.

Am 29. September ist Michaelistag.
Der Michaelistag markiert genau eine Woche nach der Tag- und Nachtgleiche die Grenze im Jahreskreis, ab der die Nächte wieder länger als die Tage sind.
Die Bauernregel „Der Michel zündt's Licht an“, weist uns darauf, dass deshalb bis Lichtmess (2. Februar) notgedrungen zunehmend bei Kunstlicht gearbeitet werden musste und natürlich auch heute noch gearbeitet werden muss. Licht war und ist für eine gute Arbeit notwendig und Licht, auch im übertragenen Sinne, ist elementare Nahrung für die Seele. Der Michaelistag erinnert an den Garanten dieses Seelenlichtes, an den, der Macht hat über Kälte, Unbarmherzigkeit und Tod. Er erinnert an Gott, er erinnert an Jesus. Der Erzengel Michael, über all den anderen Engeln stehend, soll als Lichtbringer bis heute bildlich eine Brücke zwischen Himmel und Erde in der dunklen Jahreszeit schlagen, eine Brücke, die uns Menschen mit Gott verbindet.

Licht und Vertrauen sind Begriffe, die gedanklich sehr verwandt sind. Wenn wir zu einem Menschen Vertrauen haben, Vertrauen aufbauen können, ist dies gleichsam Licht für unsere Seele. Vertrauen gibt Wärme und Geborgenheit und ist Grundlage guten Handelns. Ohne Vertrauen in uns selbst und ohne Vertrauen in nahestehende Menschen haben wir es schwer, sind nicht leistungsfähig, ja können sogar krank werden. Vertrauen ist für uns existenziell.

Der obige Bibeltext spricht auch von Vertrauen. Vom Vertrauen zwischen Menschen und vom Vertrauen zu Jesus.
Aber so wie das Licht ohne die Dunkelheit nicht sein kann, gehört auch zum Vertrauen der Zweifel. Er spornt uns an, damit wir uns nicht mit vorschnellen Antworten leichtfertig zufriedengeben. Er bewahrt uns davor, vermeintlich alternativlosen Ansagen gedankenlos hinterher zu laufen und kann uns vor Unheil und vor Verführungen bewahren. Ja, der Zweifel gehört zum Leben und ist zum Beispiel gerade für eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler bei scheinbar sicheren Erkenntnissen existenziell und zwingend notwendig, um Wissen zu mehren und die Wissenschaft nach vorne zu bringen.
Der Weg ist schmal zwischen einem gesunden Vertrauensvorschuss unserer Gesprächspartnerin oder unserem Gesprächspartner und deren oder dessen Narrativ gegenüber und blindem Vertrauen ohne angebrachten gesunden menschlichen Zweifel.

„Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ – Eine rhetorische Frage, die Natanaël da stellt. Eine Frage, die die Antwort bereits vorausschickt. Nein, aus Nazareth kann nichts Gutes kommen, sagt er und folgt wohl seiner bislang gemachten Erfahrungen vorschnell. Einen Vertrauensvorschuss geben, nein, dazu ist er nicht bereit.

Die Bibelverse führen uns zutiefst menschliche Züge vor Augen und sie zeigen, wie Jesus seine Gemeinde bildet und vielleicht auch künftig bilden will. Von ihm geht die Suche aus, indem er andere, hier Philippus, in seinen Dienst bindet und die Gemeinde kehrt zu ihm zurück.
Er, Jesus, überzeugt Natanaël und nimmt ihm seine Zweifel, nicht Philippus ist es, der dazu im Stande wäre. Nur Jesus kann diese Überzeugungsarbeit in seiner Vollmächtigkeit leisten. Der Kreis ist geschlossen. Er, Jesus, ist Anfang und Ende zugleich.
Vielleicht ist dieses Vorgehen bildhaftes Beispiel für die Bildung christlicher Gemeinden überhaupt. Christliche Gemeinden brauchen Menschen, die auf Menschen zugehen. Aber überzeugen kann nur Jesus, kann nur Gott bei jedem Einzelnen, der offen ist und auf Jesus und damit auf Gott zugeht.
Gottesbeweise auf menschlicher Denkebene, wie sie sich manche und mancher vielleicht wünschen würde, gibt es nicht. Selbst Albert Einstein, der kühl rechnende Physiker, kann uns hier Beispiel sein.

Er, Einstein, hält einen anspruchsvollen Vortrag über das Verhältnis von Raum und Zeit. Als er fertig ist, steht ein Zuhörer auf und widerspricht: „Was sie hier ausgeführt haben, ist mir viel zu spekulativ. Wir sind doch nicht in der Kirche. Nach meinem gesunden Menschenverstand kann es nur das geben, was man sehen und überprüfen kann.“ Einstein lächelt und antwortet: „Dann kommen Sie doch bitte nach vorne und legen Ihren gesunden Menschenverstand hier auf den Tisch.“

Diese Episode aus „Typisch! Kleine Geschichten für andere Zeiten“ zeigt in humorvoller Weise, dass selbst in kühlen naturwissenschaftlich geprägten Köpfen Raum ist für Vertrauen und Raum für eine Wirklichkeit, die unserem rationalen Denken verschlossen bleibt.

Ich wünsche mir für uns alle, das rechte Vertrauen zu Gott zu finden, aber auch dem berechtigten Zweifel nachzugehen für eine gute Zukunft nach seinem Willen.