Zum Inhalt springen

Paukenschlag in St. Elisabeth

Hans Lyer
Datum:
Veröffentlicht: 1.6.23
Von:
Marion Krüger-Hundrup

Neuorientierung: Nach fast 30 Jahren verlässt Pfarrer Hans Lyer zu Pfingsten die Gottesdienstgemeinde im Sand. Er will zu neuen Projekten aufbrechen. Wie geht es nun weiter?

Die Hiobsbotschaft erwischte die Gemeinde von St. Elisabeth wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Am Vorabend des Pfingstfestes feierte ihr Pfarrer Hans Lyer um 18:30 Uhr zum letzten Mal in dieser Kirche den Gottesdienst. Anzeichen für eine mögliche Amtsmüdigkeit oder Verärgerung hatte es zuvor nicht gegeben. Der Rückzug von Pfarrer Lyer, der weit über die Stadtgrenzen hinaus als menschenzugewandter katholischer Priester und langjähriger Gefängnisseelsorger in den JVAs Bamberg und Ebrach bekannt ist, traf die Gemeinde völlig unvorbereitet.

„Pfingsten ist Zeit für eine Veränderung, ich möchte noch einmal etwas Neues probieren“, begründet der agile 72-Jährige seine Entscheidung, nach fast 30 Jahren der Elisabethenkirche den Rücken zu kehren. Lyer nennt diesen Akt „Exodus aus der Kirche, nicht um sie zu verlassen, sondern um im jesuanischen und franziskanischen Sinne nach draußen zu gehen“. Unterwegs zu sein hin zu den Menschen an den Hecken und Zäunen der Gesellschaft, um sie seelsorglich zu begleiten. Menschen beispielsweise, die zwar aus der Kirche ausgetreten sind, aber nicht mit Glauben und Gott abgeschlossen haben. „Ich habe viel Kontakt zu solchen Frauen und Männern, die auch aus der katholischen Jugend kommen“, so Lyer. Oder zu ehemaligen Häftlingen, die weiterhin seinen Beistand suchen.

Seinen Priesterberuf gebe er jedenfalls nicht auf, betont der Pfarrer. Er wolle sich neu seiner Sendung vergewissern: „Aufbruch ist keine Phrase!“ fügt Hans Lyer hinzu. Einmal im Monat will er unter dem Projektitel „Laudato Sí“ hinaus an einen Brennpunkt in Bamberg und Umland, Liturgie und Diakonie in Deckungsgleichheit bringen. Denn „Liturgizismus allein passt nicht zu den Grundvollzügen von Kirche“. Seine dann in freier Natur angebotenen Gottesdienste sollen diese förmlich sprechen lassen, und eine Spiritualität der Ehrfurcht vor der Schöpfung, ihrer Bedrohung offenbaren – „ohne pastoral zu beträufeln“.

Projektauftakt soll am Sonntag, 4. Juni, eine „Petrus-Messe“ um 17:00 Uhr im Fischereihafen von Bischberg sein, biblisch verortet im reichen Fischfang. Hans Lyer führt also das fort, was sich – entgegen seiner ursprünglichen Absicht – als alternatives Gottesdienstangebot in St. Elisabeth etabliert hat. Dieser etwas andere Feierort in Bamberg erwuchs aus dem Anliegen, den Gefängnissen und den in der Betreuung von Insassen ehrenamtlich Tätigen ein Standbein in einer Kirche draußen zu verschaffen. Die Gottesdienstgemeinde der Elisabethenkirche wuchs. Ihr spiritueller Geist spiegelt sich in den Glasfenstern von Markus Lüpertz wider, die der Initiativkreis um Pfarrer Lyer und Christoph Gatz maßgeblich verwirklicht haben.

Dass St. Elisabeth nicht nur als von Touristen überrannten „Lüpertzianum“ wahrgenommen wird, sondern als liturgischer Ort erhalten bleibt, ist sowohl dem Eigentümer Stadt Bamberg wie Dompfarrer Markus Kohmann als Rektor der Kirche ein wichtiges Ansinnen. Aber wie geht es jetzt nach dem Rückzug von Pfarrer Hans Lyer weiter? „Ich bemühe mich um eine endgültige Lösung, damit weiterhin liturgische Feiern stattfinden können“, erklärt Kohmann. Letztlich müsse die Kirchenverwaltung der Dompfarrei im Zusammenspiel einer Nutzungsvereinbarung mit der Stadt entscheiden, ob es so weitergehen könne, wie kurzfristig das ehrenamtliche Team um Christoph Gatz anberaumt hat.

Denn ihm, Georg Beirer, Norbert Engel und Rudolf Wagner-Jakob ist es gelungen, zumindest bis zur Sommerpause einen Nachfolger für Lyer zu finden: Roland Huth, Seelsorger am Klinikum Bamberg und zuvor Pfarrer in Nürnberg und Coburg, hat sich bereit erklärt, zusätzlich zu seiner Arbeit im Krankenhaus erst einmal drei bis vier Mal im Monat die Vorabendmessen in St. Elisabeth zu feiern. „Ich sage ein grundsätzliches Ja dazu und schaue bis zum Sommer, wie es läuft, dann sehen wir weiter“, so Huth. Ihn reize durchaus die Chance, „grenzgängerische Gottesdienste zu feiern“ in einer Kirche, die von „Mann-und Frauschaft geprägt ist“. Am Samstag, 10. Juni, wird Pfarrer Huth um 18:30 Uhr seinen liturgischen Einstand geben. Am Samstag, 3. Juni, gibt es eine von Rudolf Wagner-Jakob gestaltete Wortgottesfeier. Auch für Samstage, an denen Roland Huth nicht zur Verfügung steht, halten sich weitere Ehrenamtliche für eine solche Wortgottesfeier bereit.

Hans Lyer ist über den nahtlosen Übergang froh. Denn St. Elisabeth „bleibt in meinem Herzen“, bekennt er. Und wenn es ihm gestattet werde, wolle er auch weiterhin Führungen zu den Lüpertz-Fenstern leisten. Lyer schmunzelt: Wer mit ihm Kontakt aufnehmen möchte, könne ihn in seinem Büro aufsuchen. Nämlich dem Café Müller in der Austraße. Seine bisherige Gemeinde wird diesen Priester mit seiner spirituellen Weite, Offenheit für die Verkündigung durch Frauen und die Ökumene, ohne klerikale Habitüde wohl vermissen. Diese ihm zugeschriebenen Eigenschaften haben jedenfalls das Männerteam um Gatz unter anderem als Anforderungsprofil für einen neuen Elisabethenpfarrer erstellt.