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Seelsorgebereich Bamberger Westen:Schrei voll Qual am stillen Tag

Erzbischof Herwig Gössl und Sängerinnen der Domkantorei gestalteten am Karfreitag die Trauermette in der Domkrypta.
Datum:
Veröffentlicht: 23.4.25
Von:
Marion Krüger-Hundrup

Schmerz, Einsamkeit, tiefste Dunkelheit, der Schrei voller Qual „Warum hast du mich verlassen?“: Das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz war auch nach über 2000 Jahren gegenwärtig. Nämlich in der Trauer um den Mann, der unschuldig ermordet wurde. Dabei ruhten so viele Hoffnungen auf diesem Messias! Selbst die, dass er die Mächtigen vom Thron stürzt, Frieden und Gerechtigkeit schafft.

Und dennoch: Bei aller Pein des Karfreitags birgt dieser Tag ein Geheimnis, das in die Zukunft weist. „Das Geheimnis dieses Tages ist ein Gott, der bleibt, der nicht Leiden überspringt, er kennt den Schmerz“, tröstete Pfarrerin Anette Simojoki die Gläubigen, die zu Kreuzwegbetrachtungen auf den Altarkerzenleuchtern in die Erlöserkirche gekommen waren. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters, die das gemeinsame Gedenken an Jesus Christus mit tausenden weiteren Bambergern verband.

Denn Haupt- und Ehrenamtliche der evangelischen und katholischen Kirchen luden von frühmorgens bis in die Nacht Fromme und weniger Fromme zum Gedenken ein. Auftakt bildete der traditionsreiche Karfreitagsbittgang von der Oberen Pfarre über die Altenburg bis hin zum Missionskreuz bei St. Getreu. Ungezählte Frühaufsteher, darunter viele junge Leute, machten sich in der Morgendämmerung mit Erzbischof emeritus Ludwig Schick auf den harten Pilgerweg. An der Spitze der Initiator des Bittgangs, Robert Dennefeld, mit dem Kruzifix. Ein Symbol für die Kreuze, die jeder und jede heutzutage schultern muss: Zukunftsängste, Streit in der Familie, Verlust des Arbeitsplatzes, dazu Kriege, Konflikte, Hunger in der Welt, Klimawandel – schier endlos erschien die Liste der Fürbitten, die Erzbischof Schick gen Himmel schickte. Umso erleichterter war Dennefeld, dass alle Bittgänger zumindest äußerlich wohlbehalten ans Ziel gelangten: „Es ist alles gut gelaufen, auch das Wetter war ideal“, bilanzierte er.

Welche inneren Stürme ausgehalten werden mussten, kleidete Erzbischof Herwig Gössl in der Trauermette in die Worte: „Wir stehen ratlos vor dem Leiden dieser Welt.“ Allerdings nicht tatenlos. Denn die Christen, die zur Mette in die Domkrypta hinabgestiegen waren, beteten innig. Sangen Psalmen, stimmlich getragen von vier jungen, geschulten Sängerinnen der Domkantorei. Und von einem Hauch österlichen Atems getroffen: „Gepriesen sei Jesus Christus, unser Erlöser, der für uns gelitten hat, der begraben wurde und von den Toten auferstanden ist“, hieß es in einem Text der Laudes (Morgengebet der Kirche), die sich der Trauermette anschloss.

Akte der Zuversicht gab es zum Beispiel auch in der Pfarrei St. Gangolf, in der Annemarie Maierhofer – wie seit Jahren an jedem Karfreitag – ehrenamtlich einen Kinder- und Familienkreuzweg mit sieben Stationen hin zur St. Otto-Kirche organisiert hatte. „Die Gärtner am Weg fragen schon immer, ob wir wieder vorbeigehen“, sagte Maierhofer motiviert.

Oder: Etliche Angehörige der Pfarrei St. Anna pilgerten mit Pfarrer Marcus Wolf als Vorbeter und zwei Ministrantinnen zu den Kreuzen an der Pödeldorferstraße. Bei aller Andacht machten Frauen angesichts des ungepflegten Umfelds der steinernen Wegkreuze ihrem Unmut Luft: „Die Stadt hat nicht einmal für ein paar Blümchen an den Kreuzen Geld übrig, ein Ärgernis!“ beklagten sie.
Friedlich ging es wieder in den Kirchen zu, in denen gegen 15 Uhr zur – laut Bibel überlieferten – Todesstunde Jesu Gottesdienste gefeiert wurden. Danach luden sogenannte Heilige Gräber in der Nagelkapelle des Doms, in der Klosterkirche Heilig Grab oder in der Kirche St. Heinrich zum stillen Gebet ein.

An diesem grabschweren Tag „bleibt das Dunkel stehen, es brennt kein Licht“, hatte Pfarrerin Simojoki auf die Altarkerzenleuchter gezeigt. Vor genau 100 Jahren schuf der Künstler aus Bronze diese Leuchter mit 14 Szenen aus Jesu Kreuzweg. Die Pfarrerin schritt sozusagen mit kurzen Betrachtungen die einzelnen Stationen ab. Stellte zu jedem Bild aktuelle Bezüge her, ordnete das Chaos in dieser Welt unter - so etwa bei der Station „Jesus begegnet seiner Mutter“. Simojoki sprach von den Müttern heute, die ihre Kinder in Kriegen verlieren: „Gott ist nahe mitten im Schmerz.“

Nun gilt es noch, den Karsamstag zu überstehen, den Tag der Grabesruhe. Eine Ruhe, die sich dann in der Osternacht im lauten Jubel auflöst. Dann erschallen auch die Glocken wieder, die seit Gründonnerstag schweigen.