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Demut

Hahn
Datum:
Veröffentlicht: 20.10.21
Von:
P. Sunny John O.Carm., Pfarrvikar
Ein Vogel lag auf seinem Rücken, beide Beine starr nach oben gegen den Himmel gerichtet. Ein anderer Vogel kam vorüber und fragte verwundert: Was ist denn mit dir los? Was machst du da? Oh, antwortete der Vogel, das muss ich tun. Ich halte den Himmel. Wenn ich meine Beine zurückziehe und loslasse, dann stürzt der Himmel ein und alle Menschen kommen um. Kaum hatte er das gesagt, da löste sich ein Blatt vom nahen Baum und fiel leise raschelnd zur Erde. Der Vogel erschrak, drehte sich um und flog eilends davon. Der Himmel aber blieb, wo er war und stürzte nicht ein.

Ein Vogel lag auf seinem Rücken, beide Beine starr nach oben gegen den Himmel gerichtet. Ein anderer Vogel kam vorüber und fragte verwundert: Was ist denn mit dir los? Was machst du da?
Oh, antwortete der Vogel, das muss ich tun. Ich halte den Himmel. Wenn ich meine Beine zurückziehe und loslasse, dann stürzt der Himmel ein und alle Menschen kommen um.
Kaum hatte er das gesagt, da löste sich ein Blatt vom nahen Baum und fiel leise raschelnd zur Erde. Der Vogel erschrak, drehte sich um und flog eilends davon. Der Himmel aber blieb, wo er war und stürzte nicht ein.

Nicht wahr, der Vogel überschätzt sich erheblich. Er nimmt sich zu wichtig. Er spielt eine Rolle, die ihm gar nicht angemessen ist. Ein fallendes Blatt genügt, um dem Wichtigtuer Angst einzujagen und ihm zu zeigen, wie die Verhältnisse wirklich sind.

Meine lieben Freunde, ich habe in meinem Leben genug und mehr Gelegenheiten, und auch jetzt noch, diese Tugend der Demut zu praktizieren. Demut zu üben ist keine leichte Aufgabe. Es ist leicht zu predigen und zu schreiben, aber schwer zu praktizieren.

Das Wesen des Menschen besteht von Natur aus im Hochmut. Hochmut ist die Haltung, die der Teufel schon Adam und Eva eingeimpft hat: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ (Gen 3,5). Hochmut ist die Haltung: „Ich habe das Recht, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich frage dabei nicht nach Gott und nicht nach anderen Menschen. Ich lebe meinen Traum. Ich bin mein eigener Maßstab. Ich bestimme selbst, was für mich wichtig und was für mich richtig ist. Zuerst einmal komme ich mit meinem Leben und meinen Interessen und Wünschen. Und dann kommt lange nichts.

Es war einmal ein Hahn auf einer Hühnerfarm. Jeden Morgen, wenn es noch dunkel war, stolzierte er aus dem Stall, kletterte auf einen Misthaufen und begann mit voller Kraft zu krähen. Und tatsächlich: Kaum hatte er seine Stimme laut erklingen lassen, da erschien die Sonne am Horizont und ging strahlend auf. Mit stolzgeschwellter Brust ging der Hahn dann nach getaner Arbeit zu seinen Hühnern in den Stall und sagte: „Bitte schön, meine Lieben, ihr könnte hinausgehen, ich habe die Sonne für euch aufgehen lassen!“ So ging es Tag für Tag. An einem Morgen war der Sonnenaufgang ungewöhnlich schön. Vor Begeisterung über sich selbst und das wunderbare Werk, das er vollbracht hatte, krähte der Hahn an diesem Morgen so lange und kräftig, bis er keine Stimme mehr hatte.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, war die Stimme immer noch weg. Der Hahn war verzweifelt: Wie sollte ohne sein Krähen die Sonne aufgehen? Gegen besseres Wissen stieg er auf den Misthaufen und versuchte, zu krähen. Aber kein Laut kam aus seiner Kehle.
Es herrscht große Aufregung im Hühnerstall: Der Hahn ist krank, er hat keine Stimme mehr und kann morgen früh nicht krähen, wenn die Sonne aufgeht. Die Hühner laufen gackernd wild durcheinander, denn wenn ihr Herr und Meister morgen früh nicht krähen kann, geht die Sonne nicht auf.
Sie denken, dass der Hahn durch sein Krähen die Sonne ruft und haben Angst, dass es am nächsten Tag dunkel bleiben wird. Am nächsten Morgen steigt die Spannung immer mehr und mehr. Der kranke Hahn erklimmt schließlich mit viel Mühe den hohen Misthaufen und öffnet seinen Schnabel, um zu krähen, aber es gelingt ihm nicht. Er versucht es nochmals und nochmals, aber ohne Erfolg. Inzwischen geht die Sonne auf.
Gedemütigt zog sich der Hahn in die hinterste Ecke des Stalls zurück und wagte nicht mehr, seinen Hennen in die Augen zu sehen. Am Abend kam die klügste seiner Hennen zu ihm und sagte: „Geh nur morgen wie gewöhnlich hinaus und krähe. Aber krähe nicht, um die Sonne aufgehen zu lassen. Krähe, weil sie aufgeht!“

Wenn ein Mensch zum Glauben an Gott findet, dann demütigt er sich unter Gott. Er macht sich von Gott abhängig. Er möchte jetzt alles aus dieser Hand Gottes, die über seinem Leben ruht, entgegennehmen. Fromme Juden ziehen ganz bewusst jeden Morgen ihre Kippa, ihre Kopfbedeckung, auf, um sich und anderen deutlich zu machen: „So wie ich mich unter diese Kopfbedeckung stelle, möchte ich mich bewusst unter Gott stellen. Er soll über mir stehen.“

Ich erfahre, dass ich aus dieser Hand alles geschenkt bekomme, was ich zum Leben brauche. Ich erfahre, dass diese Hand auch eine Hand ist, die mir Schutz und Geborgenheit gibt. Ich muss lernen, alles aus der Hand Gottes zu nehmen.

Ich vertraue ihm, dass er weiß, was er tut und warum er es tut, auch wenn ich es nicht verstehe.

Der Hochmut ist die Wurzel aller Sünde. Auf der Lichtseite herrscht die Demut. Johannes Chrysostomus, orthodoxer Heiliger, sagt: „Demut ist die Mutter aller Tugenden, die Elementartugend, aus der alles Gute hervorwächst.“

In Micha 6,8 heißt es: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: Nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Beim Rangstreit der Jünger sagt Jesus: „Wenn jemand der Erste sein will, muss er den letzten Platz einnehmen und allen dienen.“ (Mk 9,35) Und kurz vor seinem Tod nimmt Jesus eine Schürze, bindet sie sich um und wäscht seinen Jüngern die Füße. (Joh 13)

Im Buch der Sprüche heißt es – nicht als Behauptung, sondern als Beobachtung: „Hochmut kommt vor dem Fall.“ (Spr 18,12) Egal, wie klug und stark ich auch sein mag: Es bleiben Millionen Dinge, die ich nicht verstehe, nicht machen und nicht beherrschen kann. Wenn ich das hochmütig anders sehe und hochmütig anders handle, werde ich früher oder später an der Wirklichkeit zerschellen. Demut ist aufs Engste verwandt mit Glaube, Hoffnung und Liebe.

Demütig sein heißt menschlich werden und menschlich handeln. Es bedeutet nicht, den Kopf gesenkt zu halten und auf alles Recht zu verzichten. Demut bedeutet vielmehr: Erhobenen Hauptes und mit geöffneten Augen auf den anderen zuzugehen. Im Menschen den Menschen erkennen. In der anderen die, die genauso bedürftig ist wie ich und die gleichzeitig genauso anerkannt ist, wie ich.

Apostel Paulus schriebt im ersten Korintherbrief, Kapitel 10, Vers 12: „Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt.“

Mutter Theresa bemühte sich Zeit ihres Lebens ein Werkzeug der göttlichen Liebe zu werden. Ich bin nur ein kleiner Bleistift in der Hand unseres Herrn. Er mag den Bleistift schneiden oder schärfen. Er mag schreiben oder zeichnen, was und wo immer er will. Wenn das Geschriebene oder eine Zeichnung gut ist, würdigen wir nicht den Bleistift oder das benutzte Material, sondern denjenigen, der es benutzt hat. Wenn Gott auch mit uns und durch uns wirkt, so dürfen wir jedoch niemals unser eigenes Denken, Planen und Tun mit dem Wirken Gottes verwechseln. Gott braucht nicht unsere Arbeit, als würde ihm ohne sie etwas fehlen. (Youcat 50).