Ein Neuanfang …
Evangelium vom Tag: Die Heilung eines Mannes am Sabbat (Mk 3,1-6)
Und er ging abermals in die Synagoge. Und es war dort ein Mensch, der hatte eine verdorrte Hand.
Und sie lauerten darauf, ob er auch am Sabbat ihn heilen würde, damit sie ihn verklagen könnten.
Und er sprach zu dem Menschen mit der verdorrten Hand: Tritt hervor!
Und er sprach zu ihnen: Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten? Sie aber schwiegen still.
Und er sah sie ringsum an mit Zorn und war betrübt über ihr verstocktes Herz und sprach zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und seine Hand wurde gesund.
Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten alsbald Rat über ihn mit den Anhängern des Herodes, wie sie ihn umbrächten.
Ein Neuanfang kann sein der Beginn des Lebens, die Fortbewegung: Jede Form von Fortbewegung, ob zu Wasser, zu Lande oder in der Luft fasziniert. Fortbewegung ist das unbeschreibliche Gefühl, Neues zu entdecken. Der 20. Januar 1930 ist ein besonderer Tag. An diesem Tag vor 90 Jahren wurde der US-amerikanische Astronaut Buzz Aldrin in Montclair, New Jersey geboren. Er betrat im Rahmen der Apollo-11-Mission kurz nach Neil Armstrong als zweiter Mensch den Mond.
Ein Neuanfang kann sein die Freiheit: Am 20. Januar 2009 wird Barack Obama als erster Afroamerikaner zum Präsidenten der Vereinigten Staaten vereidigt. Gerade für viele afroamerikanische Menschen wurde er als erster farbiger Präsident der Vereinigten Staaten damit zum Sinnbild für ein Leben in Freiheit.
Ein Neuanfang kann sein das Bekenntnis zum eigenen Glauben: An einem 20. Januar, wohl im Jahre 288, starb der Hl. Sebastian. Der Hl. Sebastian ist auch als Schutzheiliger gegen die Pest bekannt, da man seiner Fürbitte das schnelle Erlöschen der Pest 680 in Rom zusprach. Er verheimlichte am kaiserlichen Hof Diokletians seinen christlichen Glauben; aber seine Stellung erlaubte ihm, seinen christlichen Glaubensgenossen in den Gefängnissen Roms beizustehen, ihnen Mut zuzusprechen und immer mehr Römer zu bekehren. Der Legende nach ließ der Heilige Sebastian sich trotz seiner Verurteilung zum Tode nicht davon abhalten dem Kaiser, die grausame Sinnlosigkeit seiner Verfolgungen vorzuwerfen. Er wurde der Legende nach im Coemeterium an der Via Appia, den Katakomben des Sebastian, beigesetzt.
Buzz Aldrin – Barack Obama – Der Hl. Sebastian: Eine ungewöhnliche Mischung. Aber - gemeinsam führen diese drei Menschen mit ihrer Lebensgeschichte zur zentralen Gestalt des heutigen Tagesevangeliums, dem Mann mit der verdorrten Hand. Der Mann mit der verdorrten Hand ist ein Sinnbild für den Wunsch zum Neuanfang. Nach seiner Heilung begann das Leben für ihn neu. Egal wie wir uns sein Leiden vorstellen mögen. Ein neues Leben ohne Schmerz, in alter Bewegungsfreiheit, mit neuem Mut und neuer Leidenschaft. Ja, ein Neuanfang kann viele Facetten haben: Endlich wieder gesund sein, ohne Schmerzen und leistungsfähig. Verborgenes erkennen und neue Wege gehen. Körperlich und geistig frei sein und sich zu seinen Überzeugungen bekennen.
Was Aldrin, Obama und den Hl. Sebastian mit dem Mann vom Beginn des Markusevangeliums verbindet, ist sicher auch der Wunsch, ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben zu führen gemäß dem Schöpfungsauftrag Gottes an uns Menschen.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Diese Zeile aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse bekennt eine Seite der Medaille des Neuanfangs. Die andere Seite zeigt womöglich den schmerzlichen Gegensatz des Scheiterns, des Bangens, der Verletzung. Und trotzdem, der Neuanfang lohnt und ist immer wieder notwendig.
Das plastische Bild von der vertrockneten Hand ruft unweigerlich Bilder aus den Erfahrungen des eigenen Lebens in unserem Gedächtnis wach. Trägt doch der Zustand des Verdorrten die Bedingung in sich, dass zuvor etwas lebendig war, blühend, sich entfaltend entwickelt hat.
Nicht nur Pflanzen, sondern auch wir Menschen können in bestimmter Weise, bildlich gesprochen, verdorren. Verdorren, indem wir uns isolieren und den Mut verlieren. Den Mut verlieren und das Vertrauen in uns selbst und damit die Kraft zum Neuanfang. Der Mut zum Leben und das Vertrauen in das Leben sind aber so unabdingbar wichtig. Nur dieser Mut und dieses Vertrauen lassen uns das Geschenk des Lebens von Gott an uns Menschen erkennen und annehmen – Ein Leben, das wir selbst nicht aus eigener Kraft zustande gebracht hätten.
Gerade jetzt, wenn so vieles verdorrt, braucht es den Neuanfang. Es braucht den Mut und das Vertrauen in sich selbst. Es braucht den Mut zur Auseinandersetzung, in aller Vielfalt, um zu heilen und zu genesen.
Überlassen wir uns zum Schluss den Worten des 1999 verstorbenen Dichters Hermann Josef Coenen, der in Worte gefasst hat, wie es denn gehen könnte mit unserem Leben:
Kennst du einen Menschen, zu dem du gehen kannst,
wenn du selber nicht mehr weiter weißt,
dem du alles sagen kannst, was dich schon lange drückt,
der nicht sagt: Du bist total verrückt?
Geh hin zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr.
Und manchmal sei für andre selbst ein solcher Mensch!
Kennst du einen Menschen, der dich sehr gut kennt:
deine Träume, deine Schmerzen, deine Schuld?
Der dich akzeptiert, so wie du wirklich bist,
der für dich ein starkes Kraftfeld ist?
Geh hin zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr.
Und manchmal sei für andre selbst ein solcher Mensch!
Kennst du einen Menschen, der auch hart sein kann,
der dich fordert und dir nichts erspart?
Der dir manchmal weh tut und dich hinterfragt,
der dir offen seine Meinung sagt?
Geh hin zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr.
Und manchmal sei für andre selbst ein solcher Mensch!
Kennst du einen Menschen, der vom Ziel was weiß,
von den Sackgassen und Umwegen auch?
Der die Spuren deutet, der den Kompass lesen kann,
der dich fragt: Wohin? Wozu? und: Wann?
Geh hin zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr.
Und manchmal sei für andre selbst ein solcher Mensch!
Hermann Josef Coenen, Dichter
Die Gedanken von Hermann Josef Coenen haben etwas von jener Weite, von jenem Mut und jenem Vertrauen, in dem wir wieder frei beginnen können.