Ein echter Geheimtipp
Im Markusevangelium findet sich die folgende Erzählung:
„Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in einen einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. Als er ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.“ (Mk 6,30-34)
„Das ist ein echter Geheimtipp!“ Einen einsamen Sandstrand, im Wind wogende Palmen, blaues Meer und vor allem Ruhe vor anderen Urlaubern oder Touristen könnte man hinter so einer Aussage vermuten. Allerdings gilt die alte Einsicht: Wenn zwei ein Geheimnis teilen, ist es kein Geheimnis mehr. Einmal weitergesagt, führt der Geheimtipp schnell zum beliebten Urlaubstrip und damit zum Ende der ersehnten Einsamkeit und Ruhe unter den Palmen am Strand mit Blick auf das Meer.
„Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“ So die Einladung Jesu an seine Jünger, die nicht einmal Zeit zum Essen finden, weil rund um Jesus ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Und er hat anscheinend einen Geheimtipp, wenn es heißt: „Sie fuhren also mit dem Boot an einen einsamen Ort, um allein zu sein.“ Aber es kommt, wie es kommen musste: „Man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.“ Also: wie gewonnen, so zerronnen? Oder doch nicht? Der Hinweis, die Leute auf dem längeren Uferweg seien schneller angekommen als das Boot über den See, lässt die Vermutung zu, dass Jesus mit den Jüngern während der Fahrt eine „kleine Pause zwischendurch“ eingelegt hat – in aller Ruhe und sicherer Entfernung zum belebten Ufer, so dass sie sich doch noch „ein wenig“ ausruhen konnten bei ihm im Boot und in seiner wohltuenden Nähe. So gesehen, kann diese Stelle aus dem Markusevangelium eine Empfehlung sein für „die kleine Pause zwischendurch“ bei Jesus in „Sicherheitsabstand“ zur Arbeit und Gesellschaft von Menschen.
Insofern ist auch der Rat des Heiligen Bernard von Clairvaux an Papst Eugen III. ganz biblisch, wenn er ihn in einem Brief ermahnt: „Ich fürchte, dass du, eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest. Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst. Wenn du dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich dich da loben?“
Die kleine Pause zwischendurch mit Jesus – das ist damals wie heute ein echter Geheimtipp.